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Capt. Jack O. Bennett

Ballonwochenende im Hils

Das Ballonwochenende vom Donnerstag, den 30. November bis Sonntag, den 3. Dezember 1989 war eines der Ballonwochenenden der besonderen Art, zu dem es 4 Vorgeschichten gibt, um es zu verstehen:
  • In Berlin und Umland durfte man während der Deutschen Teilung keinen Luftsport ausüben; Luftsportler verbrachten viele Wochenenden in Westdeutschland noch jenseits eines ca. 50 km breiten Streifen zur DDR-Grenze, die sogenannte ADIZ
  • 4 Wochen vorher, am 9. November 1989, ist die Berliner Mauer gefallen
  • 2 Jahre vorher, haben wir ein öffentliches Gebäude in Hanoi/Vietnam ertüchtigt und saniert und dabei Kontakte gepflegt
  • Ich war schon einige Zeit Ballonfahrer mit gelegentlichen Medienberichten in Berlin, so gab es immer Mitfahrinteressenten, so auch die Anfrage von Jack O. Bennett an einer Fahrbeteiligung

Der Ami

Jack O. Bennett war ein Ami, bei dem alle meine Erwartung an einen "Ami" zugetroffen haben: direkt, höflich, hilfsbereit, interessiert und vieles mehr. Er hatte auch Besonderheiten an sich: Briefe, die er mir gesendet hat, sind alle ein zweites mal gelaufen, d.h. er hat Kuverts, die an ihn gerichtet waren, mit neuer Adresse versehen und ohne zu frankieren in den Briefkasten geworfen. Keine Ahnung, wieviel davon nicht angekommen sind, aber mein Archivordner ist voll solcher Briefe von Jack.
Jack war und ist sicherlich noch weltweit der Berufspilot mit den meisten Flugstunden. Sein Buch "40000 Stunden am Himmel - 24000 Flüge nach Berlin" ist im Antiquariat noch zu erhalten.
Jack Olen Bennett war ein bedeutender US-amerikanischer Zivilpilot und Erfinder, der vor allem durch seine herausragende Rolle während der Berliner Luftbrücke bekannt wurde.

Frühe Jahre und Ausbildung

Bennett wurde am 19. Dezember 1914 in Ebensburg, Pennsylvania geboren. Schon mit 14 Jahren brachte er sich das Fliegen selbst bei und studierte später Flugzeugbau am Massachusetts Institute of Technology.

Aufenthalt in Deutschland

1937 erhielt Bennett ein Rockefeller-Stipendium für ein Studienjahr an der Technischen Hochschule Berlin. Dort knüpfte er wichtige Kontakte in der deutschen Luftfahrtszene und flog sogar eine Messerschmitt. Durch seine Beziehung zur Tochter eines hochrangigen Nazioffiziers wurde er mit Hermann Göring bekannt.

Berliner Luftbrücke

Als Leiter der Frankfurter Niederlassung der American Overseas Airlines wurde Bennett am 23. Juni 1948 von General Lucius D. Clay beauftragt, den ersten Flug der Berliner Luftbrücke durchzuführen. Er landete um 22:09 Uhr auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof. Während der Luftbrücke absolvierte Bennett über 650 Flüge und wurde zum Piloten mit den meisten Einsätzen.

Leben nach der Luftbrücke

Bennett ließ sich in Berlin-Grunewald nieder und flog bis zu seiner Pensionierung 1974 für PanAm, hauptsächlich zwischen Frankfurt und Berlin. Er blieb bis zu seinem Tod am 26. August 2001 in Berlin.

Ehrungen und Vermächtnis

1964 erhielt Bennett das Bundesverdienstkreuz I. Klasse. Er wurde zu einer bekannten Persönlichkeit in West-Berlin und galt als "wandelndes Denkmal" der Berliner Geschichte. 
Jack O. Bennett hinterließ ein bleibendes Erbe als Symbol der deutsch-amerikanischen Freundschaft und der Solidarität während der Berliner Blockade.

Ballonfahrten von und mit Jack O. Bennett

Jack war nie mit einem Ballon gefahren, hatte im Oktober 1989 Kontakt mit mir aufgenommen, nach einer Fernsehausstrahlung einer Ballonfahrt mit Harro Zimmer (deutscher Astronom, Raumfahrtexperte und Journalist). Nach unserer Ballonfahrt (Verfolger: Hans-Dieter Krösche) konnte ich Harro dazu gewinnen, in unserer Büro-Jour-Fixe-Reihe einen Vortrag zur Weltraumarchitektur zu halten - an anderer Stelle mehr.
Jack hatte den Film gesehen, er wollte mein "Copilot" sein. Mein Fahrgebiet war das Weserbergland; wir hatten uns dann auf ein verlängertes Wochenende vom 30. November bis zum 3. Dezember 1989 verabredet. Dabei hatten wir nicht geahnt, dass zu dem Zeitpunkt die Berliner Mauer schon zumindest symbolisch Geschichte war.

Kontaktaufnahme durch Jack O. Bennett,

im Kuvert sein signiertes Buch 

Briefkuverts von Jack  ;-)

In der Form waren sie alle


Besuch von Phong und Chung aus Vietnam

Bald nach der Wende, Ende November 1989, bekam ich in meinem Berliner Architekturbüro Besuch von zwei Vietnamesen. Mit Phong war ich bekannt aus der Zeit eines unserer Bauvorhaben in Hanoi/Vietnam, er war Hochschullehr an der Uni in Hanoi. Sein Begleiter Chung war ein junger, promovierter Architekt, der in Weimar studierte und dort eine Assistentenstelle an der Universität innehatte.
Beide vietnamesische Staatsbürger, hätten zu dem Zeitpunkt nicht von Ostberlin nach Westberlin reisen dürfen, sie haben sich aber getraut. Allerdings ohne westliche Devisen, hier haben wir etwas helfen können. Professor Phong wollte auch unbedingt einen Kollegen in Hannover besuchen, die Frage war, wie er das umsetzt. Ich habe die beiden spontan eingeladen, in meinem Verfolgerbus mitzufahren, auch zu einer Ballonfahrt eingeladen und mein Ballongebiet lag ja nicht weit südlich von Hannover.

In Vietnam sind einsilbige Vornamen üblich, die oft geschlechtsneutral sind, der Mittelname wird meist verwendet, um das Geschlecht auszudrücken. Die Menschen in Vietnam sprechen sich nur mit dem Vornamen an, der an dritter Stelle steht (Nachname, Mittelname, Vorname). 

Die Bedeutungen der Passagiernamen: Phong = "Der Wind" und Chung = "Intelligenz"

Besonderheit in Berlin

Die beiden vietnamesischen Freunde waren Nordvietnamesen, in Berlin und in ganz Europa lebten ja viele Südvietnamesen (Boatpeople). In den Folgejahren, nach der Wende, haben die Berliner Vietnamesen selbst unterschieden zwischen Ost- und Westvietnamesen.


Fahrt von Berlin in den Hils

Wir vier trafen uns am Donnerstagmorgen um mit meinem L-300-Bus mit 9 Sitzplätzen die Fahrt nach Westdeutschland anzutreten: der Ami, zwei Vietnamesen (Phong war sicherlich ein ehemaliger Vietcong) und ich.

Jack hatte mir Tage nach der Fahrt eine Fotodokumentation zukommen lassen mit Texthinweisen, er unterschied 

  • The Old Viet.Prof. für Phong und
  • The Young Viet.Dr.Ark. (Ark war seine Abkürzung für Architekt, die hat er auch bei mir benutzt) für Chung.

Ich glaube, für alle war die Situation neu: die beiden Vietnamesen waren noch nie so nah mit einem Ami zusammen und umgekehrt sicherlich auch.

Ich war der Fahrer, musste auf den Verkehr achten und habe hauptsächlich den Gesprächen gelauscht; es gab einen sehr großen Unterschied bei den Gesprächen auf der Anreise und dann einige Tage später bei der Abreise (siehe auch dort).

Jack hatte die Gelegenheit genutzt, die beiden zu befragen, ohne Rücksicht darauf, dass wir es mit zurückhaltenden Personen zu tun hatten, für die alles westliche neu war; er fragte unseren Weimarer Freund aus in Richtung Studium, Hochschule, Finanzen und Wohnen, auch ganz konkret: "Kannst Du in Weimar auch ein Mädchen mit auf Dein Zimmer nehmen?", was dem Befragten natürlich sehr peinlich war. Die drei hatten aber eine gute Stimmung. Im Weserbergland angekommen, hatten Sie schon Besuch von dem Kollegen aus Hannover, der sie dann auch einen Tag später zu unserem Startplatz brachte.


Ballonfahrten im Weserbergland

Die drei Fahrten wurden alle mit meinem damaligen Heißluftballon D-Berlin absolviert. Die nachfolgenden Angaben stammen aus aus meinem Fahrtenbuch.

Besatzung bei allen drei Fahrten: Norbert Reimann, Luftfrachtführer; Captn. Jack O. Bennett, Co 

Freitag, 1.12.1989

  • Startort: Grünenplan HW - 12.29 - Landeort: Gut Heinsen - 13.34 - Anzahl Landungen: 1 - Fahrtstunden: 1:05 -
  • Distanz LL: 14 km, Besatzung erweitert: Frau Krämer, Verfolger: Rainer Neumann, mein Neffe
  • Startort: Grünenplan HW - 12.29
  • Landeort: Gut Heinsen - 13.34
  • Anzahl Landungen: 1
  • Fahrtstunden: 1:05
  • Distanz LL: 14 km
  • Besatzung erweitert: Frau Krämer
  • Verfolger: Rainer Neumann, mein Neffe

Unsere Passagierin und Jack wurden natürlich, wie alle Erstfahrer, mit einer Taufe in den Adelstand der Ballonfahrer erhoben.

 

Foto: Taufe Captn. Jack O. Bennett, Frau Krämer

Samstag, 2.12.1989

  • Startort: Grünenplan HW - 13.13
  • Landeort: Wulfingen - 15.14
  • Anzahl Landungen: 1
  • Fahrtstunden: 2:01
  • Distanz LL: 25 km
  • Besatzung erweitert: die Herren Phong und Chung
  • Verfolger: Rainer Neumann

Crew beim Landefest; die Landefeste fanden immer im auch noch heute zu empfehlenden Lampes Posthotel in Grünenplan statt. Der Seniorchef, Conrad Lampe III, lies es sich nicht nehmen, unsere illustre Gesellschaft den Abend über mit dem tollen Team "im Krug" zu begleiten, zumal ihm Jack ein Begriff war.

Natürlich wurde auch unsere vietnamesichen Freunde in den Adelsstand der Ballonfahrer erhoben und als Vizepräsidenten in die Gesellschaft der berühmten Ballonfahrer aufgenommen.

 

Sonntag, 3.12.1989

  • Startort: Grünenplan HW - 10.40
  • Landeort: Feldmark Limmer - 12.20
  • Anzahl Landungen: 1
  • Fahrtstunden: 1:40
  • Distanz LL: 10 km
  • Besatzung erweitert: die Herren Phong und Chung
  • Verfolger Brinkmann junior
Jack hatte diesem Wochenende drei Ballonfahrten mit einer Gesamtfahrdauer in der Luft von 4 Stunden und 46 Minuten absolviert, neugierig wie ein Flugschüler. Für ihn waren zwei Sachen bemerkenswert:
  • das wir uns, fast schwerelos, zumindest ohne Beschleunigungskräfte, in der Luft bewegen konnten, das war ein neues und schönes Gefühl für ihn
  • gewöhnungsbedürftig war beim tiefen Fahren für ihn die Nähe zu Bäumen: wenn er in der Vergangenheit Blätter so nah sah aus der Luft, erinnerte es ihn an seine 16 Bruchlandungen. Das hat aber zu seinem Fliegerleben dazugehört für ihn. Ich hatte ihm dann offenbart, dass ich als jugendlicher Segelflieger auch zweimal Bruch gemacht hatte mit unserer Rhönlerche (im Rhein-Neckargebiet war ich da als Lerchentöter bekannt), aber dies war für ihn kein Makel, weil ich ja, wie er, immer weiter gemacht hatte. 

Fahrt vom Hils nach Berlin

Die Rückreise nach Berlin war noch lockerer, da wir nun ein Team waren. Bei der Hinreise war es im wesentlichen Jack die beiden anderen aushorchte, auf der Rückreise war es meist umgekehrt. Ich kann mich noch gut erinnern, wie Chung Jack fragte, was er denn als Pan-Am-Chefpilot verdient hatte und wie hoch seine Rente sei. Aber alles in einer fröhlichen und angenehmen Grundstimmung.

Nachlese

Chung

Chung hatte mich einige Wochen später anlässlich einer Essenseinladung besucht, als Gastgeschenk hatte er einen vietnamesischen Keramikelefanten gereicht, der heute noch in unserem Besitz ist (neben denen, die ich selbst aus Vietnam mitgebracht habe). Nach den Wendewirrungen war es unklar, wie es bei ihm beruflich weitergehen sollte, wir hatten uns dann auch aus den Augen verloren.

Jack

Jack und ich hatten noch bis über die Jahrtausendwende regen Kontakt. 

Nach dem Ballonwochenende hatte er mir 27-DIN-A-4-Foto-Kartons mit über 100 nach seiner Art beschrifteten Fotos zukommen lassen. Darin hatte er hat das Wochenende sehr gut beschrieben, auch die technischen Dinge um den Ballon.

 

The Young Viet.Dr.Ark. - NR - Jack; aus Fotodokumentation von Jack

Wir waren im Grunewald mit gemeinsamen Freunden zusammen Essen und tauschten uns regelmäßig aus.

Wie sehr ihn das Wochenende beindruckt hatte zeigen folgender Briefe an mich:

Karte von Jack nach dem Wochenende

Fast der Beginn einer Playboy-Karriere?

Zu weiteren Fahrten ist es nicht mehr gekommen, er verfolgte aber unsere Ballonaktivitäten und gab immer wieder hinweise und Tipps, er war ein großer Kommunikator. Warum unsere Playboy-Karriere nicht ins Rollen kam, hat sich meiner Erinnerung entzogen.

Zeitungsnotiz mit Anmerkungen Jack

Bei dem Zeitungsausschnitt zu meiner Aktivität in Singapur (wir haben dort auf der internationalen Luftfahrtausstellung Werbung für die ILA in Berlin Schönefeld gemacht mit dem Ballon Brandenburger Tor - dazu und zu anderen Ballonfahrten an anderer Stelle mehr) machte er sich Gedanken, dass ich nicht namentlich genannt war.

 

Meist waren seine Infos mit einem Hinweisstempel versehen, er hat das sehr professionell betrieben, sicherlich nicht nur mit mir, das zeigt die Sie-Form des Stempels:

Hinweise aus Zeitungen, Zeitschriften etc. mit seinem Stempel

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