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Tropenwürste

Harz

In meiner weitläufigen Verwandtschaft gibt es meine Cousine Erika, die betrieb mit ihrem Mann Günther im Harz eine Metzgerei. Günther war Schlesier und Experte für Wurstwaren. Als 13-jähriger hatte ich die großen Ferien im Harz und damit im Schlachthaus und der Wurstküche verbracht und konnte mir damals sogar vorstellen, den Beruf zu erlernen.

Samstags waren wir auf dem Markt in Osterode und Abends mit ausgesuchter Ware in einem kleinen, abgelegenen Ort im Harz, manens Marke. Wenn Günther im Ort eingefahren ist, hat er gehupt, im Haus des Bürgermeisters war im breiten Flur schon ein Tisch vorbereitet, da kammen die mitgebrachten Wurst- und Fleischpfannen drauf und die wenigen Dorfbewohner haben ihre Ware fürs Wochenende gekauft. Ich habe die jeweiligen Summen der Waren mit einem dicken Bleistift auf eine Verpackung geschrieben und adiert.
Wenn alle Kunden bedient waren, wurde eingepackt und es ging ins Wohnzimmer des Bürgermeisters; Günther bekam ein Bier, ich eine Brause. Die meiste Zeit war ein Sommerfrischler-Ehepaar aus dem Ruhrgebiet anwesend, der Mann Postoberinspektor, dem es Spaß machte, mich nach den größten Hauptstädten, längsten Flüssen usw. zu befragen.
Günther hatte einen Freund, der beruflich längere Zeit in Mexico zu tun hatte und für diese Reise hat im Günther 5 Dauerwürste produziert, ca. 10 cm Durchmesser und 40 cm lang. In Mexiko hatte dieser Freund nur noch 4 Würste im Auto, die Fünfte war verschwunden. Etwa vier Wochen später ist diese Wurst doch unter dem Beifahrersitz aufgetaucht, sah gut aus, hatte lediglich einen weißen Belag. Dieser Belag auf der Wurst entsteht durch Austrocknen der Wurst, dabei schwitzen Salze durch den Naturdarm auf die Oberfläche, was zu einem weißen, kristallinen Belag führt. Dieser Belag besteht hauptsächlich aus Natrium- und Magnesium-Salzen und ist unbedenklich. Er kann einfach abgewischt werden und ist sogar essbar (wers mag).
Diese Geschichte war in der Familie bekannt und ich erinnerte mich wieder daran, als meine erste große Afrikareise in 1984 anstand. Von da an, bei allen Reisevorbereitungen nach West-Zentral- und Ostafrika, in den Jemen, nach Vietnam, Burma usw. habe ich mehrere Würste -"unsere Tropenwurst" hieß die im Büro- bestellt und mit auf die Reisen genommen.
Ich muss nicht erklären, dass diese Würste einen hervorragenden Geschmack und gleichbleibende Qualität hatten.

Hanoi

In Hanoi waren während meines Aufenthates 1986 neben mir noch zwei Nicht-Asiaten im Hotel. Ein Brite hatte sich vorher in Hong-Kong einen CD-Player gekauft mit Klassik- und Jazz-CDs, ein Australier (die wurden damals zu den Europäern gezählt) hatte eine Flasche Whisky dabei. Als dritter im Bunde konnte ich die Abende mit der Tropenwurst mitgestalten.

Innerafrikanische Reisen

Innerafrikanische Reisen hatten das Problem der Checkpoints: die Straße war ohne Vorankündigung blockiert und gesperrt, links oder rechts, meist etwas abgelegen, idealerweise unter einem Baum, saßen -oder besser: lungerten- die schwer bewaffneten Polizisten oder Soldaten auf dem Boden und wollte wissen, wohin man denn wolle und woher man komme und was man im Alukoffer oder im Rücksack mit sich führe. Wenn ich dann die Tropenwurst als erstes gezeigt und gefragt hatte, ob den zufälligerweise jemand Moslem sei (das wurde immer verneint beim Anblick der Wurst, in der natürlich Schweinefleisch war) habe ich ein ca. 2 cm breites Stück mit dem immer präsenten Schweizer Taschenmesser abgeschnitten, für jeden, und man lies uns freundlich passieren.

Marib/Jemen

Hier wurde in Zelten übernachtet, die Würste aufgehängt an einer Schnur und nur an der Schnur abgelassen, wenn man sich ein Stück abschneiden wollte.
Die Metzgerei und auch den Schlachtermeister Günther gibt es leider nicht mehr.

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